Bericht über den Knastmarathon in Darmstadt am 17.05.2009

 

Dieses Mal hatte ich mir mal wieder etwas Besonderes ausgesucht: den Knast-Marathon in Darmstadt. Und es ist genauso wie es sich anhört: Man läuft einen Marathon auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt  in Darmstadt.

Er fand in diesem Jahr schon zum 3. Mal statt. Für die Inhaftierten lief bereits seit einem halben Jahr ein entsprechendes Laufprojekt mit der Teilnahme am Marathon als Höhepunkt. Es durften auch Häftlinge aus anderen JVA’ s teilnehmen.

So entstand eine illustre Lauftruppe, bestehend aus 140 externen und 37 internen Läufern. Wer hier teilnehmen wollte, musste sich rechtzeitig anmelden. Das Teilnehmerlimit war sehr schnell erreicht.

Wer wollte, konnte auch eine Begleitperson mitnehmen. Ich machte davon  allerdings keinen Gebrauch und fuhr am Sonntagmorgen alleine nach Darmstadt.

Gegen 9 Uhr traf ich dort ein; Einlass war ab 8 Uhr.

 

Ich kramte alles Nötige zusammen in eine kleine Sporttasche – alles Unnötige blieb im Auto, so auch Handy und Fotoapparat. Diese Dinge durfte man sowieso nicht mitnehmen.

Dann reihte ich mich in die wartende Gruppe ein: man wurde nur grüppchenweise eingelassen. Danach musste man sofort seinen Ausweis abgeben; darauf folgte eine Gepäck- und Leibesvisite.

Man begrüßte uns aber außerordentlich freundlich; so verschwand auch die leichte Anspannung schnell. Die Leute mit dem großen „i“ auf dem T-Shirt wiesen einem den Weg zur Anmeldung und Umkleide.

Die 20 € Startgeld hatte ich vorher schon überwiesen; dafür bekam ich jetzt einen Umschlag mit Startnummer, Funktionsshirt und Ausschreibungsheft.

 

In unmittelbarer Nähe befanden sich auch Start und Ziel mit dem großen Transparent: „Darmstädter Knastmarathon“. An dem Wort „Knast“ störte sich hier niemand: es ist nun mal so wie es ist!

 

In der Umkleide bekam man einen großen Bekleidungssack mit Startnummer; darin konnte man seine Utensilien unterbringen; die Sporttasche sollte aber nicht zu groß sein…

 

Bisher war ich von dem Ganzen recht positiv überrascht: es herrschte eine freundliche, entspannte Atmosphäre. Der Moderator, der mit Sicherheit schon viele Sportveranstaltungen begleitet hat, strahlte Professionalität aus. Aktuelle Musik dröhnte aus den Lautsprechern. Eines war sicher: der übliche Alltag stand heute im Hintergrund. Es war „Party pur“ angesagt.

 

Ich begab mich zu der Kreuzung, an der auch Start und Ziel in der Nähe waren.

Hier war das Herz der Organsiation. Es gab ein spezielles Zelt für Gäste, die nicht liefen. Auch für die sanitären Anlagen für diese Personengruppe war gedacht.

Diese Stelle war so zentral, dass die Zuschauer die Läufer hier 3x pro Runde sehen konnten.

Direkt neben dem „Gästezelt“ stand ein Verpflegungszelt. Hier konnte man noch Kaffee trinken, ein Stück Kuchen oder ein Schnittchen essen, oder ganz einfach mit anderen plaudern.

 

Übrigens: in dem Moment, in dem man die Anstalt betrat, benötigte man kein Geld mehr. Die komplette Verpflegung war umsonst, und der Nachschub rollte – eine logistische Meisterleistung!

 

Es war ein Marathon der kurzen Wege. Lediglich die Strecke war und blieb mit 42,195 km festgelegt. Es gab in diesem Jahr keine Alternativstrecke. Wer laufen wollte, hatte gefälligst Marathon zu laufen.

 

Pünktlich um 10 Uhr fiel dann der Startschuss. Ich startete im vorderen Mittelfeld. Ich hatte es heute nicht eilig; ich dachte eine Woche zurück: da bin ich den Genfmarathon recht zügig gelaufen. Deshalb sollte es heute eine Zeit um 3:45 h oder mehr werden.

 

Die Strecke verlief wie folgt:

Direkt nach dem Start ging es nach rechts bis zu einem „Wendekreisel“ und wieder zurück Richtung Start/Ziel. Nach ca. 200m tangierte man also den V-Punkt mit den Zuschauern. Danach ging es an Start und Ziel vorbei, und der Streckenverlauf machte einen großen Bogen, um bei 900m wieder den V-Punkt zu tangieren. Mit einem Wendepunkt ging es dann aber wieder ein Stück zurück und bog nach rechts ab. Hier stand auch das einzige Kilometerschild mit der Aufschrift „1 km“. Was auch sonst?

Wer jede Runde mitstoppte, konnte hier jedes Mal beim Vorbeikommen seinen aktuellen km-Schnitt ablesen.

Nach dem Schild umrundete man ein Gebäude, verließ das Gelände wieder nach rechts und lief den großen Bogen zurück, um dann bei km 1,758 die Matte von „mikatiming“ zu überqueren. In einem kleinen Zelt neben der Strecke konnte man auf einer elektronischen Tafel ablesen, zur wievielten Runde man gerade aufbrach. Für den Marathon waren also 24 Runden erforderlich. Die Strecke war komplett asphaltiert.

 

Nach 3 Runden hatte sich das Feld auf der kompletten Strecke verteilt. Die ersten Überrundungen begannen. Der spätere Sieger (in 2:54 h) lieferte sich einige Runden ein Duell mit einem Läufer, der aber später ausschied. So landete er einen Start/Ziel-Sieg.

 

Die Häftlinge gliederten sich in mehrere Gruppen:

Da waren einmal die Läufer; außerdem viele Helfer, die vorwiegend an der V-Stelle eingesetzt waren.

Dann gab es die Freigänger, die als begeisterte Zuschauer fungierten.

Wiederum andere „Zuschauer“ waren hinter einem Zaun. Der Rest war in den Gebäuden eingeschlossen und konnte das Geschehen nur durch Gitter verfolgen…

 

 

Die erste Hälfte erledigte ich in 1:50 h; aber dann kam ein Faktor, den ich so nicht unbedingt auf dem Plan hatte: das Wetter. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass es kühler werden würde, bzw. uns der ein oder andere Schauer beehrte.

Es kam aber ganz anders: Um die Mittagszeit hatten wir Temperaturen von 25 Grad, Tendenz steigend. Später waren es dann 28 Grad.

Aber man reagierte. Entlang der Strecke standen von Anfang an sowieso mehrere Eimer mit Wasser, um sich abzukühlen. Jetzt kam noch jemand zum Einsatz, der einen Schlauch mit einem Duschkopf zu unserer Abkühlung bereit hielt und auf Wunsch auch einsetzte.

 

Unterwegs kam man mit dem ein oder anderen „Knacki“ ins Gespräch. Es ging immer nur ums Laufen.

 

Die Sonne setzte uns immer mehr zu. Gerade auf der längeren Passage entlang einer langen und hohen Mauer, die einen immer wieder daran erinnerte, wo man sich eigentlich befand, brannte sie unerbittlich auf uns nieder. Sauerstoff war Mangelware.

 

Immer mehr Läufer gingen. Ich selbst verlangsamte mein Tempo zwar auch, wäre auch mal gerne ein Stück gewandert, hatte aber Angst davor wieder in Gang zu kommen. Deshalb lief ich weiter und kämpfte mich an den wandernden Genossen vorbei. Dann zeigte meine Stoppuhr die 24. und letzte Runde an. Ich war froh nach 3:44 h im Ziel zu sein. In der Endabrechnung war dies der 18. Gesamtplatz.

 

Ich begab mich sofort zur Dusche um das Salz abzuwaschen. Ich hatte ordentlich geschwitzt. Danach verpflegte ich mich reichlich und genoss die einmalige Stimmung rund um diese Veranstaltung. Als ich um 15 Uhr die JVA verließ, waren noch nicht alle im Ziel. Nach 5 h war zwar offizielles Zeitlimit, aber es gab auch Verlängerung. Eile gab es hier nicht.

 

Insgesamt war es eine schöne Veranstaltung in einer ungewöhnlichen Umgebung, die professionell aufgezogen und durchgeführt wurde.

Man kann die Veranstalter nur loben, aber auch die Häftlinge. Sie grölten natürlich, wenn eine Frau vorbei lief, aber es fiel kein einziges „unanständiges“ Wort. Ja, und man darf nicht vergessen: eigentlich gehören sie ja hier dazu…

 

Ich warte schon gespannt auf die versprochene CD mit den Fotos der Veranstaltung und die Urkunde (alles in den 20 € inbegriffen).

Übrigens: auch das Fernsehen war vor Ort.

 

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