Bericht über den Marathon in Podgorica (Montenegro) am 1.11.2009

 

Vor 3 Jahren löste sich Montenegro von Serbien und schon war ein neuer Staat mit einer neuen Hauptstadt gegründet. Es interessierte mich natürlich sofort, ob in Podgorica auch Marathon gelaufen wird. Dies war schnell geklärt, denn der Marathon fand dieses Jahr bereits zum 16. Mal statt. Also nix wie hin!

 

Früh hatte ich den Flug und das Hotel gebucht: man weiß ja nie.

Aber allein der Flugplan wurde bis zur Abreise 7-mal geändert; dummerweise sollte dadurch auf dem Hinflug eine Wartezeit von 4 h bis zum Weiterflug in Belgrad entstehen. Ein Direktflug wäre aber erheblich teurer gewesen.

Übrigens: statt die teuren Parkgebühren am Frankfurter Flughafen zu berappen, entschlossen wir uns im Stadtteil Griesheim zu parken, von wo uns ein Shuttlebus zum Terminal brachte. So zahlten wir für 4 Tage nur 33 €.

Für alle, die in Belgrad zwischen landen: hier wird mit Dinar bezahlt, in Montenegro mit Euro. Es gelang uns jedoch in Belgrad auf eine frühere Maschine umzubuchen, so dass es nahezu ohne Wartezeit weiter ging. Der Belgrader Flughafen ist ungefähr so groß wie der in Saarbrücken; derjenige in Podgorica ist noch kleiner…

 

Zur Stadt:

Podgorica zählt ca. 200.000 Einwohner, von denen die meisten aber wohl am Stadtrand in riesengroßen, verwahrlosten Plattenbauten wohnen. Diese werden zurzeit teilweise abgerissen und durch neue Wohnblocks abgelöst. Ebenso werden neue, moderne Einkaufs- und Businesszentren errichtet. Es gibt viele kleine Geschäfte, aber kaum Hotels und Restaurants. Letztere waren an diesem Wochenende von Hochzeitsfeiern belegt. Der Stadtkern ist relativ klein, ein Fluss namens Muraca fließt durch die Stadt. Die auffälligste Brücke ist die Milleniumsbrücke, die man auch auf der Marathon-Medaille wieder findet.

Die Leute sind sehr nett und ausgesprochen deutsch-freundlich.

Die Preise liegen deutlich unter denen hierzulande, insbesondere was die Grundnahrungsmittel angeht. Zigaretten bekommt man bereits für 70 Cent pro Schachtel; dementsprechend hoch ist die Raucherquote…

Insgesamt bekommt man aber den Eindruck, dass der Großteil der Bevölkerung an der Armutsgrenze lebt. Taxi-Fahren ist hier billiger als bei uns das Bus-Fahren.

 

Das Thermometer zeigte immer Werte um die 15-17 Grad an, freitags und samstags blies aber ein sehr starker, kühler Wind. Dieser bereitete mir dann auch Sorgen bezüglich des Marathons.

 

Zum Marathon:

Die Informationen zum Lauf erhielt ich ausnahmslos aus dem Internet. Die Homepage ließ aber etwas die Aktualität vermissen, vor allem die englischsprachige Abteilung. So fand die Startnummernausgabe in einem anderen, nämlich dem City-Hotel, statt; und das nicht erst abends, sondern nur morgens (am Samstag). Man kann aber nachmelden, ggfs. sogar noch am Renntag direkt an Start und Ziel.

Vorsicht ist also angesagt, und man sollte nicht auf den letzten Drücker anreisen.

Übrigens der Start ist nicht um 9:30 h, sondern um 10:00 h, und zwar im „Centar“ am Platz der Republik. Dorthin kamen wir – meine Frau Margit war natürlich auch dabei - mit dem Taxi, für knapp 2 €. Über ein kleines Trinkgeld freut sich hier jeder.

Hier ist auch das Ziel. Der Halbmarathon startet irgendwo anders. Man wird mit dem Bus hingefahren, läuft aber dann eine ganz andere Strecke als der Marathon.

 

Die Marathonstrecke führt zunächst eine kleine Runde durch die Stadt, dann über die Milleniumsbrücke, um dann schnurgerade Richtung Golubovci zu führen. Dieser Ort gab auch dem Flughafen seinen Namen.

Ich hatte mich relativ warm angezogen, weil auch heute wieder mit starkem Wind zu rechnen war. Dieser deutete sich zwar mal an, war aber deutlich schwächer als die beiden vorangegangenen Tage.

Das lange Stück Richtung Flughafen war bereits die erste mentale Probe: das Feld zog sich so schnell auseinander, wie ich es bisher bei kaum einem anderen Marathon erlebt hatte. Es gab nach 5 km zwar noch das ein oder andere Grüppchen, aber auch die lösten sich schnell auf. Das Feld bestand eigentlich nur aus Einzelläufern. Es waren ohnehin nur etwa 160 Läufer am Start.

Der Start kostet hier übrigens keine Gebühr. Für 0 € erhält man ein T-Shirt, eine Urkunde und eine Medaille.

Ich hatte mir kein Zeitziel gesetzt. Ich wollte einfach nur den Marathon nach Hause bringen, zumal ich noch kleine Nachwirkungen bezüglich einer Blase unter dem rechten Fuß verspürte…

Für die ersten 5 km benötigte ich genau 25 min; danach ließ ich es aber langsamer angehen, stoppte zwar alle 5 km die Zeit, rechnete aber nicht hoch. Die km-Angaben waren ohnehin insgesamt sehr spärlich und nicht unbedingt genau platziert.

 

Nach der Tangierung des Flughafens legten wir eine Linkskurve hin und liefen jetzt Richtung „Gebirge“ (ca. 1000 HM). Dabei kamen wir durch kleinere Orte und an Gehöften vorbei. Die Einwohner schauten uns aus dem Sessel zu und feuerten uns an. Vor allem die Kinder hatten ihren Spaß.

Aber für uns Läufer gab es viele einsame Passagen: immer wieder geradeaus durch eine karge Landschaft. Abwechslung boten da nur einige Schafe und Paprikaplantagen.

So war irgendwann mal die Aufschrift „1/2“ auf der Straße zu lesen: die Halbmarathonmarke war erreicht.

Bis hierhin hatte ich ca. 10 Läufer überholt, der ein oder andere davon ging bereits.

 

Was der Begriff: „Einsamkeit des Marathonläufers“ bedeutet, erfährt man hier auf ganz eindrucksvolle Weise. Ich weiß, dass ich mir keine Schwäche leisten kann, sonst würde es ganz schwer. Ich denke dabei an meinen rechten Oberschenkel, an die Blase und die lädierte Zehe am rechten Fuß, und an eventuelle Probleme auf der linken Seite, die durch Schonhaltung entstehen könnten. Ich versuche mich abzulenken, aber womit???

Ganz da vorne läuft jemand, der ist aber noch sehr weit weg. Es gibt jetzt öfter Wasser. Ich trinke genug, denn es ist wider Erwarten warm; so warm, dass ich meine lange Oberbekleidung ausziehe und am Straßenrand liegen lasse.

Jetzt laufe ich auf den Ort „Tuzi“ zu. Der Läufer vor mir kommt näher. Im Ort herrscht Betrieb wegen eines Marktes und auch die Kirche ist gut besucht. Viele Leute stehen sogar davor. Die Montenegriner sind gläubige Menschen. Diejenigen, die nicht der Messe beiwohnen, muntern uns auf und freuen sich, wenn jemand zurück winkt.

 

Nach der nächsten V-Stelle überhole ich jemanden, der in ganz kurzer Kleidung läuft. Er hatte wohl den zuverlässigeren Wetterbericht. Aber er scheint konditionelle Probleme zu haben. Er versucht an mir dranzubleiben. Doch dann geht es etwas bergauf, und er wird noch langsamer. Da mir die Zeit inzwischen vollkommen schnuppe ist, werde auch ich langsamer und versuche ihn zu „ziehen“. Dies klappt ganz gut und in der folgenden abfallenden Passage erholt er sich wieder.

Wir passieren jetzt einige eingezäunte Plantagen, in denen auch Weintrauben reifen. Hier wächst der bekannteste montenegrinische Wein: der Vranac, ein leckeres Getränk. JJ

Langsam kommt Podgorica in Sicht und mein „Schatten“ läuft noch brav hinter mir. In der Stadt selbst sind einige große Straßen wegen uns gesperrt. Die Polizei regelt den Verkehr, achtet aber weniger darauf, wo wir hinlaufen. So schlagen wir drei Mal die falsche Richtung ein. Aber das Ziel ist jetzt schon zu hören, dank des Ziellautsprechers.

 

Mein Schatten und ich laufen nebeneinander Richtung Ziellinie. Doch kurz vor derselben beschleunigt er noch mal und läuft an mir vorbei. Statt eines kurzen Shakehands beachtet mich der Russe überhaupt nicht mehr im Ziel und freut sich offenbar darüber noch einen Platz gut gemacht zu haben. Hat man Töne??

 

Mir persönlich ist die Platzierung bei einer Zeit von 3:55 h allerdings vollkommen gleichgültig. Inzwischen habe ich erfahren, dass ich Fünfter in der AK und 80. insgesamt war. Beachtlich die hohe Ausfallquote: von 161 Startern kamen nur 111 ins Ziel.

 

Nach 2 Pivo (Bier) lassen wir uns von einem Taxi ins Hotel fahren, wo erst einmal geduscht wird. Erst am Abend kehren wir in die City zurück um etwas zu essen und u.a. die Milleniumsbrücke „by night“ zu bestaunen.

 

Am nächsten Morgen heißt es, früh aufzustehen, da die Maschine nach Belgrad bereits um 06:25 h startet. Eine schöne Reise findet am Abend bei einer Flasche Rotwein zu Hause ihr Ende…

 

 

 

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