Bericht über den 4. Marathon in Luzern (CH) am 31.10.2010
Seit meinem
Aussteigen beim Köln-Marathon habe ich im wahrsten Sinne des Wortes keinen Fuß
mehr auf den Boden bekommen. Die Diagnose „Muskelfaserriss“ lag noch immer in
der Luft, die Heilung ließ aber trotz einiger Therapien auf sich warten. So
setzte ich meine ganze Hoffnung auf meinen Sportarzt, der nun aus dem Urlaub
zurück war.
Er hielt die
bisherige Diagnose für falsch und ging viel mehr von mehreren starken
Muskelverhärtungen aus. Er therapierte mich dahin gehend u.a. mit Stoßwellen. 2
Tage später sollte ich testen, aber bereits mittwochs wollten Margit und ich
ein paar Tage Urlaub im Allgäu machen. Zum Testen blieb also keine Zeit. Der
Rückweg sollte dann über Luzern führen. Dort war ich ja schon lange für den
Marathon gemeldet und das Hotel gebucht. Außerdem soll Luzern ja auch ohne
Marathon ganz nett sein.
„Ein Schelm, der Böses dabei denkt…“
Um ja nicht auf dumme
Gedanken zu kommen, wagten wir freitags noch eine kleine Bergwanderung. Eine Teilnahme
am Marathon lag tatsächlich in weiter Ferne.
Samstags fuhren wir
dann nach Luzern. Ich nahm meine Startunterlagen in Empfang – schließlich hatte
ich dafür ja 70 € bezahlt.
Ich weiß nicht, woran es lag, aber irgendwie steckte die
Marathonluft an: In mir reifte ein riskanter Plan.
Da ich ja schließlich testen sollte,
kam ich auf die Idee, dazu den 12,8 km-Lauf, der neben Marathon und
Halbmarathon angeboten wurde, zu nutzen. Diese Strecke verlief exakt auf der
(Halb-) Marathonstrecke, endete aber bei km 12, 8 in Horw. Dies traute ich mir
zu. Soweit mein erster Gedankengang.
Dann stellte ich fest, dass man für
den Halbmarathon sage und schreibe 3:30 h zur Verfügung hat. Von Horw aus hätte
ich sowieso das Problem: wie komme ich zurück zu Start und Ziel? Warum also
nicht zurückwandern und die Medaille im HM-Ziel einheimsen??
Nach einem feinen
Abendessen in einem Luzerner Lokal gingen wir zeitig zu Bett, auch wenn die
Sommerzeit in dieser Nacht endete, und wir so eine Stunde länger schlafen
konnten. Aber mit schlafen war es nicht weit her. Mein Plan bereitete mir wohl mehr
Kopfzerbrechen als
mir lieb war.
Am Morgen gingen wir
die 2,5 km zu Fuß zum Start- und Zielgelände am Verkehrshaus.
Der Start erfolgte zusammen mit den Halbmarathonis. Man
durfte sich den Startblock aufgrund der zu erwartenden Endzeit selbst
aussuchen. Ich wählte den 3. Startblock, der dann 10 min später als der erste
auf die Reise geschickt wurde.
Margit wusste von meinem Vorhaben, konnte aber nicht genau
wissen, wie es enden würde, ebensowenig wie ich selbst.
Ich ging im 5:45 er Schnitt an. Die Strecke führte zunächst
entlang des Vierwaldstättersees, vorbei am Casino, Hotel Schweizerhof, machte
dann einen Bogen nach Tribschen, Haslihorn und St. Niklausen. In diesem Bereich
befanden sich dann auch 3 Steigungen.
Die Zuschauer waren bestens gelaunt und unterstützten uns
nach Leibeskräften. Alphornbläser und Kuhglocken aller Größen ließen keine
Zweifel daran, dass wir uns in der Schweiz befanden.
Wegen meines nun erreichten km-Schnittes von 6 min/km,
teilweise sogar länger, konnte ich das alles besser als sonst erleben und
genießen.
Doch was meinte mein linker Oberschenkel dazu? Nun, er
meldete sich bisher nicht, jedenfalls nicht bis zur Ortschaft Kastanienbaum,
die bereits zu Horw gehörte. Dann spürte ich einen leichten Druck, aber es war
noch kein Grund ans Aufhören zu denken.
Inzwischen machten wir einen weiteren Bogen nach rechts bei
km 10. Von nun an ging es quasi zurück, während wir in Winkel den See verließen
und uns auf die erste Zielmarke, nämlich die des Schnuppermarathons,
zusteuerten.
Auf einer Länge von knapp 3 km war jetzt ein buntes Treiben
angesagt. Die Bewohner von Horw hatten den Marathon als Anlass zu einem kleinen
Straßenfest genommen.
Die Schmerzen wurden zwar inzwischen etwas stärker, hielten
sich aber noch in Grenzen. Ich war jedenfalls noch lange nicht gezwungen zu
marschieren. Aber wie lange würde das noch gut gehen??
Trotz allem war ich gezwungen,
meinen Plan zu vollenden oder sogar zu ändern!
Über die Ortschaft Allmend ging es jetzt langsam zurück
Richtung See. Nun waren wir bereits bei km 18 und liefen den Marathonis, die
bereits die 2. Runde in Angriff genommen hatten, entgegen.
Spätestens jetzt war sicher, dass ich das Halbmarathonziel
erreichen würde!
Mir bereitete jetzt nur noch eine Sache Kopfzerbrechen: das
war die Wendemarke kurz vorm Zieleinlauf! Sollte ich geradeaus ins Ziel laufen,
oder mich auf der rechten Seite einordnen, um den Marathon zu versuchen. Die
erste Hälfte hatte ich in 2:10 h geschafft. Wenn es mir gelänge noch weitere 9
km im momentanen Tempo weiter zu laufen, könnte ich die restlichen 12 km noch
irgendwie in der Sollzeit schaffen…
Oder sollte ich doch besser die sichere Variante wählen???
Dann kam sie, die Wendemarke!!
Und es kam, wie es kommen musste: ich lief rechts!
Damit war die Entscheidung gefallen: ich wollte den
Marathon!
Dann entdeckte ich Margit, die voller Erstaunen (oder war es
mehr Entsetzen??) sah, was ich gerade tat. Ich hielt kurz bei ihr an und
informierte sie über meinen Gesundheitszustand.
Zuversichtlich begann ich nun die 2. Runde. Meine Schmerzen
hatten sich nicht mehr verstärkt, aber das konnte sich ganz schnell ändern.
Daher beschloss ich an den etwas steileren Steigungen zu gehen statt zu laufen.
So verging km um km. Bei km 22 oder 23 kamen mir die
führenden Marathonis entgegen. Jetzt nur nicht dran denken, dass die es bald
hinter sich haben…!
Aber eigentlich ging es mir gut. Gelegentlich verringerte
ich mein Tempo. Dadurch verringerten sich auch die Schmerzen. Als ich dann zum
2. Mal in Horw war, war ich mir ziemlich sicher, heute noch mit einer
Marathonmedaille um die Wette zu glänzen.
Dies bereitete mir eine Gänsehaut. Aber ich wusste auch,
dass meine Probleme noch lange nicht aus dem Weg geräumt wären. Die Therapie
bei meinem Sportarzt muss ich auf jeden Fall weiterführen.
Bei km 39 lief ich auf einen anderen Marathoni auf. Wir
liefen fortan nebeneinander. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, war klar,
dass wir die Ziellinie zusammen überqueren wollten.
Aber wie das Leben so spielt: die Regie führt ein anderer.
Exakt bei km 40 verstärkte sich der Schmerz im linken
Oberschenkel schlagartig, ich verfiel in den Gehschritt. Mein Mitstreiter
erschrak regelrecht, und ich signalisierte ihm, dass er auf meine Begleitung
verzichten muss.
Jammerschade, dass mir ein normaler Zieleinlauf nicht
vergönnt war!!!
Aber, ich darf mich nicht beschweren. Ich hatte bereits
jetzt mehr erreicht als ich mir erträumt hatte. Es waren nur noch 2 km bis zum
Ziel. „Zügig“ wanderte ich nun auf der belebten Hauptstraße Richtung roter
Teppich, der im Ziel ausgelegt war. Die Zuschauer munterten mich auf, ich solle
doch noch etwas laufen. Doch das wollte ich auf keinen Fall riskieren.
Frohgemut strebte ich Richtung Ziel, wurde noch mehrfach überholt, aber das
juckte mich nicht im Geringsten.
Margit hatte mich schon seit einiger Zeit im Ziel erwartet.
Die Stimmung war hier großartig und entschädigte für die eine oder andere
Schmerzphase.
So kam ich doch noch zu einem Marathon-Finish im Oktober,
wenn ich dazu auch etwas über 4:30 h benötigt habe.
Letztendlich wurde es ein Sieg der Willenskraft, aber wohl
leider kein Sieg der Vernunft…
Als Fazit bleibt
folgendes festzustellen:
Die Veranstaltung ist
bestens organisiert. Allerdings sollte man unterwegs Cola anbieten.
Duschen fand ich
ebenfalls nicht.
Aber alles andere ist
tadellos.
Das Publikum ist
super, die Strecke gut ausgewählt.
Irgendwann werde ich
sicher wieder hier starten, alleine schon um mehr Zeit für die Besichtigung der
Stadt zu haben.
Die vielen Fresken in
der Altstadt sowie die hölzeren Brücken sind mehr als sehenswert.
Außerdem würde ich
dem Hausberg, dem Pilatus, einmal gerne einen Besuch auf seinem Gipfel
abstatten.
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