Bericht über den Marathon in Rio de Janeiro (BRA) am 18.07.2010
Eigentlich stand der
Marathon in Rio nie auf meiner Wunschliste. Da ich letztes Jahr meiner Frau
aber versprochen hatte, die fällige Hochzeitsreise nachzuholen, musste es schon
etwas Besonderes sein. Bei Urlaub denkt man dann schon eher an die Copacabana.
„Zufälligerweise“ fiel der Marathon in Rio genau in meine Urlaubsplanung. Nach
kurzem Zögern – wegen der hohen Kriminalitätsrate in der Metropole – begann ich
dann alles zu organisieren: Urlaub, Flug, Hotel, Anmeldung etc.
- alles auf eigene
Faust.
Die Anreise erfolgte
bereits am 6. Juli ab Frankfurt/Main über Sao Paulo und bedeuteten 11 Stunden
Flug. Die Zeitverschiebung beträgt in (unserem) Sommer 5 h.
In Rio ist dann
Winter, was den Temperaturen aber keinen Abbruch tut: 18-32 Grad sind immer
drin, das Meer ist warm, nur die Sonne verschwindet schlagartig gegen 18 Uhr.
Die wandert hier übrigens gegen den Uhrzeigersinn. Aber auch sonst ist hier
einiges anders als bei uns. Statt des Euro gibt es den Real, der ungefähr 1:2
umzurechnen ist, also 1 Euro=2,2 Real.
Unser Aufenthalt
wurde Marathon-technisch erst ab Donnerstag, dem 15. Juli interessant. Ab
diesem Datum konnte man die Startnummer abholen, und zwar im Centro de
Convencoes SulAmerica. Dies befindet sich an der Ecke Av. Presidente Vargas/Av.
Paulo de Frontim. Am besten zu erreichen mit der Metro, Station „Estácio“.
Vorsicht! Hier handelt es sich nicht um den Hauptbahnhof, wie ich irrtümlich
glaubte, sondern um die Bezeichnung der Metro-Station – schreibt sich eben nur
sehr ähnlich wie das Wort „Bahnhof“ auf portugiesisch. Meinen Fehler mussten
wir durch einen 2,5 km langen Fußmarsch wett machen…
Die Messe ist relativ
klein, die Menschen äußerst freundlich. Als Deutscher wird man geachtet, nicht
zuletzt wegen des 4:0-Sieges bei der Fußball-WM gegen den Erzrivalen Brasiliens
Argentinien. Das schlägt einem immer wieder entgegen.
Organisatorisch
musste jetzt nur noch folgende Frage geklärt werden: Wie komme ich am Renntag
vom Hotel zum Start?
Der Start sollte in
Recreio sein, ein Ort ca. 35 km weg von unserem Hotel an der Copacabana. Der
Veranstalter stellte dazu Busse zur Verfügung, und zwar ab dem Zielgelände
„Aterro do Flamengo“. Wo dies lag, wusste ich inzwischen ungefähr, eine genaue
Stelle konnte mir aber noch niemand angeben. Dies klärte ich dann am Vortag des
Marathons. Margit und ich stiefelten vom Hotel Richtung Flamengo, bis wir zur
Aufbaustelle des Zieleinlaufs kamen. Dort ließ ich mich genau instruieren.
Hier sollte am
nächsten Tag ohnehin die Straße gesperrt werden.
Am Sonntag stand ich
bereits um 4 Uhr auf. Ich duschte und war um 4:45 h im Foyer des Hotels,
allerdings allein. Es waren zwar noch einige andere Marathonläufer, die man
immer an den entsprechenden T-Shirts erkennt, im Hotel untergebracht, aber die
hatten das Ganze wohl anders organisiert. Ich hob dann vor dem Hotel den
Daumen, und schon stand mir eines der ungezählten Taxis zur Verfügung. 5 km
später war das Zielgelände erreicht und ich war so pünktlich, dass ich noch den
1. Bus um 5 Uhr erwischte. Die Busse fuhren alle 5 min nach Recreio. Die Fahrt
konnte bzw. musste man vorher buchen. Der Preis war gering und war in meiner
Überweisung von ca. 38 € enthalten. Dafür bekam man dann aber auch ein
Funktionstrikot, eine Mütze, den Leihchip und natürlich die 42 km.
Nach einer Stunde
Busfahrt, die die Knochen schon aufs Schärfste beanspruchte, war der Startplatz
erreicht. Ich erkannte gleich die Startlinie, frühstückte noch eine
mitgebrachte Kleinigkeit, und erledigte all das, was man so vor einem Marathon
zu tun hat. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen: Ich war rechtzeitig am
Start. Die Parole lautete: Zurück Richtung Copacabana und dann noch 4 km!!
Um 7 Uhr startete bereits die Elite der Frauen, unsereins um
7 Uhr 30.
Es blies ein kräftiger Wind vom Meer her. Die Temperatur lag
bei 17 oder 18 Grad. Nach 4 mehr oder weniger verregneten Tagen hatte es
merklich abgekühlt. Ich hielt dies zunächst für positiv.
Ich kam schon vor dem Start mit einigen anderen Läufern ins
Gespräch. Dies funktionierte vorwiegend in englisch, aber auch mit einigen
portugiesischen Brocken, die ich mir schon seit einigen Wochen selbst
beigebracht hatte.
Frohgemut lief ich mit etwa 2700 anderen Marathonis in die
entgegengesetzte Richtung, in der ich Rio-City vermutete; dann machten wir eine
Schleife, und es ging zurück nach Recreio, das wir eigentlich gar nicht richtig
verlassen hatten.
Wir begaben uns nun sehr nahe ans Meer. Der Wind kühlte uns,
anfangs sogar mehr als uns lieb war.
Bis auf den ersten km, den ich etwas vertrödelte, lief es
jetzt recht gut. Ein km nach dem anderen verging, und ich begann den Lauf zu
genießen, immer unter dem Motto: „der kleine Günni im großen Rio de Janeiro“.
Es war mein 225. Marathon, aber aufgrund der geografischen Lage natürlich etwas
ganz Großartiges! Nach 10 km in 52:34 min bemerkte ich zum ersten Mal, dass ich
außerordentlich stark transpirierte. Trotz der relativ niedrigen Temperaturen
musste ich der hohen Luftfeuchtigkeit bereits Tribut zollen. Ich wusste, dass ich
unter solchen Bedingungen Probleme bekommen würde.
Die Strecke wurde jetzt etwas uneben durch
Fahrbahnerhebungen und Kopfsteinpflaster, die die Kfz zu niedrigerem Tempo
bringen sollten. Für uns Läufer war es eher unangenehm, da man höllisch
aufpassen musste nicht umzuknicken. Dies ging einige km so während wir langsam
auf den Stadtteil „Barra da Tijuca“ zusteuerten. Hier befand sich auch der
Halbmarathon-Start, der bereits um 7 Uhr erfolgt war. Einen Teil der Strecke
kannte ich bereits von Anfang der Woche als wir hier das Hard-Rock-Café suchten
und fanden – wegen des dazugehörenden T-Shirts natürlich.
Den Halbmarathon hatte ich dann in 1:50 h hinter mir: das
war zwar eine gute Zeit, aber ich fürchtete, dass sie auch zu schnell war, vor
allem bei dem ständigen Gegenwind, der mit Sicherheit einiges an Kraft gekostet
hatte.
Der nächste Ort, den wir nun ansteuerten hieß Sao Conrado. Der
Weg dorthin war zwar beschwerlich, aber schön. Zunächst liefen wir leicht
ansteigend auf einen Tunnel zu und durchquerten ihn. Wieder am Licht ging es
erst mal leicht abwärts um dann auf einer Länge von fast 2 km teilweise
ziemlich steil anzusteigen. Hätte ich den Streckenplan mit Höhenprofil dabei
gehabt, ich hätte ihn wohl jetzt zerrissen und weggeworfen: alles Lüge! Kein
flacher Marathon!
Aber was soll es?! Ich schaltete einen Gang zurück um zum
Genießen zurückzukehren.
Links war nun ständig Regenwald, rechts das Meer – nun mehr
mit Küste als mit Strand! Herrlich! Dann nochmal ein Tunnel und Sao Conrado war
erreicht. Das einzige moderne Gebäude hier war das des Sheraton-Hotels auf der
rechten Seite, alle anderen insbesondere auf der Seite des Regenwaldes zeigten
uns die Schattenseiten der 12-Millionen-Stadt…
Wir ließen den Stadtteil schnell hinter uns und liefen
leicht abwärts wieder Richtung Strand. Hier wartete wieder ein ganz anderes
Bild: Massive Hotelgebäude und badende Touristen, die jetzt teilweise am
Straßenrand standen und applaudierten. Apropos Straßenrand: Hier begann jetzt
ein einige km-langer Streckenteil, der von der anderen Straßenseite abgesperrt
war. Allerdings standen auf der Läuferseite riesengroße Pfützen, die es jetzt
zu um- oder durchlaufen galt. Nach ca. 30 km fiel es einem da schon schwer
jedes Mal einen rettenden Sprung oder Abstecher auf den Fahrradweg zu machen.
Die Bordsteine sind hier gut 15-20 cm hoch!!
Mit meiner Kraft war ich nun langsam am Ende, ja ich muss
zugeben: Ich quälte mich jetzt ziemlich als wir immer näher nach IPANEMA und
damit auch bald zur COPACABANA kamen.
Dennoch: der Applaus tat gut, und den anderen ging es schließlich auch nicht
besser. Der richtige Schub, den ich mir erhofft hatte, blieb allerdings aus.
So lief ich auf der Straße der Copacabana entlang Richtung
Leme und war weit davon entfernt so etwas wie Euphorie zu verspüren. Nach einer
kurzen Phase des Sonnenscheins wurde es auch wieder trüber. Nach gut 3 km
Copacabana ging es jetzt nach links Richtung Stadtteil Botafogo. Der Weg führte
uns vorbei an dem Hotel, in dem wir wohnten, und durch einen Tunnel. Danach
ging es etwas bergab bis wir wieder Meeresniveau erreichten. Der Stadtteil
Flamengo, in dem sich die Ziellinie befand, war jetzt schon zu sehen. Kilometer
40 war jetzt erreicht.
Kurz danach dann doch noch der Moment, mit dem ich nicht
mehr gerechnet hatte: Rechts erblickte ich den Zuckerhut, klar und deutlich –
zum Greifen nah! Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, dass ich nicht irgendwo
unterwegs bin, sondern am Südlichen Wendekreis, 10000 km weg von zu Hause, in
einem erstklassigen Urlaubsgebiet, wovon ich bisher nur geträumt hatte. Und
hier durfte ich Marathon laufen, und ich war kurz davor den Lauf zu vollenden!
Ich nutzte die Gelegenheit zum letzten Foto aus meiner
Einwegkamera. Dann konzentrierte ich mich auf den letzten km, der jetzt wie von
alleine verging. Die Endorphine ließen mich den Rest der Strecke genießen. Ja,
ich war wieder in meiner Welt! Der Applaus und das Gejohle der Zuschauer im
Zielraum taten ihr Übriges!
Einem Brasilianer, der jetzt neben mir lief, ging es wohl
ebenso. Kurzerhand schnappte er sich meine linke Hand und riss sie nach oben,
als wir gleichzeitig ins Ziel liefen.
Günni, was willst Du mehr…? (die Medaille natürlich… J - schließlich war die in den 38 € auch enthalten)
Kurz hinter der Ziellinie entdeckte ich dann auch schon
Margit, die sofort ein Zielfoto schoss. Sie durfte morgens noch länger schlafen
und war nach dem Frühstück hierher gewandert. Wir hatten abgesprochen, dass ich
nach ca. 3:50 h einlaufen würde. Tja, und genau dort blieb die Uhr auch stehen.
Leider gab es
keinerlei Möglichkeit sich mit einem Bierchen und einer Bockwurst oder
Ähnlichem zu stärken. Außer dem verpackten Obst und Wasser wurde nichts angeboten.
Dann noch ein Small-Talk mit einem Brasilianer, der sich bereits am Start
hinter mich geklemmt hatte – ohne dass ich es bemerkt hatte. Er wusste, dass
ich eine Zeit um 3:50 h laufen wollte und hat mich deshalb nie aus den Augen
gelassen. Als ich dann das letzte Foto schoss, ist er wohl vorbei gelaufen und
hat in 3:49 h eine neue pB erreicht: Glückwunsch!!
Da es danach keinen
Grund mehr gab im Zielbereich zu verweilen, setzten wir uns in den nächsten Bus
und waren 10 min später im Hotel.
Nach der fälligen
Dusche verbrachten wir noch einen gemütlichen Nachmittag an der Copacabana und
stärkten uns am Abend in einem Steakhouse.
Aber es gingen auch
schon die ersten Gedanken Richtung Heimat. Für Mittwoch stand unser Rückflug
an…
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