Bericht über den 25. Belgrad-Marathon am 22.04.2012
Zur Abwechslung stand
an diesem Wochenende mal wieder eine „neue“ europäische Hauptstadt auf meinem
Plan: Belgrad, die Hauptstadt Serbiens.
Da ich ja in Kandel
bereits mit einer 3:33 h erfolgreich war, stand für mich fest, in einem meiner
nächsten Marathonläufe die 3:30 h zu knacken. Warum also nicht in Belgrad??
Doch leider wird es
wohl bei dieser Absicht weiterhin bleiben.
Nach dem Lauf in
Kandel erkrankte ich sehr bald an einer Lungenentzündung, die Gottseidank aber
rechtzeitig erkannt wurde. Nachdem ich mich langsam wieder erholte, blieben die
Fragen: Fahre ich überhaupt nach Belgrad? Trainiere ich vorher noch?
Eine weitere
Überlegung kam dann noch zusätzlich durch den Veranstalter hinzu:
Etwa 2 ½ Wochen vor
dem Lauf teilte mir dieser nämlich mit, dass der Marathon nicht am Samstag,
sondern am Sonntag stattfinden sollte.
Ich hatte aber den
Rückflug für Sonntag gebucht! Ein Umbuchen war nicht möglich. Also am besten
Hotel stornieren und auf den Flug verzichten!
Aber das kann jeder!
Das war mir zu einfach! Außerdem gibt ein Marathoni nicht so schnell auf. Also
wühlte ich im Internet und kam zu folgender Lösung:
Abflug wie geplant am
Donnerstag ab Flughafen Charleroi (Belgien) mit WIZZAIR,
weiter mit dem
Shuttlebus zum Hotel. Auf den Rückflug mit WIZZAIR verzichten, stattdessen
einen neuen Flug buchen mit der serbischen JATAIRWAYS und zwar Rückflug dann am
Montagmorgen nach Brüssel – von dort mit Bus und Bahn zurück zum Flughafen
Charleroi, Distanz ca. 70 km. Mit dem Auto zurück nach Völklingen: ca. 280 km.
Das Ganze wurde dann
noch mit meiner Frau Margit abgesprochen. Die ist für etwas Abwechslung im
Leben und für etwas Abenteuer immer zu haben.
So erreichten wir
dann am Donnerstagnachmittag Belgrad. Wir wurden auch entsprechend empfangen:
mit Blitz und Donner! Damit zum Wetter: Die Temperaturen liegen hier doch
deutlich höher als in unserer Region. Doch durch gelegentlichen Regen
erreichten sie diese Tage nur bis etwa 20 Grad.
Dennoch war es durch
die warme Luft nicht falsch ein T-Shirt anzuziehen.
Am Freitag ging es
dann zur Marathonmesse. Schnell hatten wir die Startunterlagen, und dann waren
wir wieder in der City.
Belgrad hat sich
erstaunlich gut vom einstigen Krieg, der ja den Zerfall Jugoslawiens zur Folge
hatte, erholt. Geschäfte und Boutiquen westlicher Prägung, freundliche Menschen
und die Frühlingstemperaturen sorgten bei Margit und mir dafür, dass wir uns
hier sehr wohl fühlten. Die Preise für Essen und Trinken, aber auch für viele
Kleidungsartikel lassen unsereins staunen: ein Abendessen für 2 Personen kann
man überall für 20 – 30 € haben; selbst in unserem 4-Sterne-Hotel haben wir am
1. Abend lediglich umgerechnet 20 € bezahlt. Die Währung hier ist allerdings
der serbische Dinar. Euros werden eigentlich nicht gesehen, der Taxifahrer
freut sich allerdings sehr über Trinkgeld in unserer Währung.
So nutzen wir die
verbleibende Zeit bis zum Marathontag mit Besichtigungen der Alt- und Neustadt.
Übrigens: Belgrad liegt an der Donau, die hier bereits sehr breit ist und
zusätzlich von einem anderen Fluss, dem oder der Sava ordentlich gespeist wird.
Sprachtechnisch ist
es nicht schlecht, wenn man Englisch spricht; teilweise hat man aber auch mit
Deutsch Glück. Die Straßennamen sind für Touristen auf dem Stadtplan in
„nicht-kyrillisch“ angegeben. Teilweise findet man diese Schreibweise dann auch
auf den Straßenschildern, aber eben nur teilweise…
Zum Renntag:
Start war um 10 Uhr.
Ich hatte in der
Nacht kaum geschlafen. Zu groß war meine Unsicherheit: war ich wirklich so
gesund, wie ich mich fühlte??
Wie groß würde mein
Muskelkater werden??
Exakt 6 Wochen bin
ich nicht mehr gelaufen. Das war der Marathon in Kandel!
Aber ich wollte
diesen Marathon hier und heute laufen, auch wenn ich 5 h benötigen würde!
Außer dem Marathon gab es noch einen Halben
und einen 5-km-Lauf.
Halbmarathon und Marathon wurden gleichzeitig
losgeschickt – erst eine kleine 6 km-lange Runde durch Alt-Belgrad, dann über
die Sava nach Neu-Belgrad mit 2 Runden.
Ich verabschiedete mich hoffnungsvoll von
Margit – ohne Training – zu einem „Marathon aus dem Stand“ sozusagen. Der
Morgen war trübe, es sah eher nach Regen als nach Sonnenschein aus. Trotzdem
war ich nur in T-Shirt und meinem LTF-Trikot und einer Laufhose, die die beiden
Oberschenkel hälftig bedeckten, unterwegs.
Anfangs hielt ich mich noch in der Nähe der
4-h-Pacer auf. Zunächst hielt ich es noch für möglich mit ihnen mithalten zu
können, später nicht mehr…
Trotzdem war ich noch frohen Mutes unterwegs
und schoss sogar einige Fotos. Einen großen Teil der Strecke kannte ich bereits
von unserer Stadtbesichtigung. Den 2. Teil der Schleife durch Neu-Belgrad
hatten wir nicht beäugt, bot aber auch nichts Besonderes mehr.
Für die ersten 10 km benötigte ich ca. 54 min.
Das war okay. Dafür hatte sich inzwischen etwas anderes wesentlich verändert:
das Wetter!! Ich suchte jetzt vergeblich nach Wolken. Die Sonne hatte die
Schlacht gewonnen und knallte jetzt gnadenlos auf uns und den Asphalt. Von dort
kam die Wärme zurück und raubte mir teilweise den ohnehin wenigen Atem. Doch
ich spürte keine Probleme bezüglich der überstandenen Lungenentzündung.
Dann wurde ich auch schon überholt: 3 Herren
in Schwarz flitzten an mir vorbei, noch bevor ich meine erste Runde beendet
hatte. Bei km 23 traf ich Margit.
Ich übergab ihr meine Digitalkamera und das
T-Shirt, das ich inzwischen ausgezogen hatte. Dann machte ich mich auf zur 2.
Runde. Ich wusste, was jetzt kommen würde: Ich würde viele Tode sterben!!!
Aber, was hilft’s? Ich spürte jetzt ab km 25,
wie sich meine Kraft verabschiedete. Ich wurde langsamer und sehnte mich nach
der 30-km-Marke. Die restlichen 12 km würde ich schon irgendwie hinkriegen.
Aber ich verlor Zeit. Ich trank viel, goß mir Wasser in die Mütze, über den
Kopf, ins Gesicht, in den Hals. Salzwasser lief an mir herunter! Dann kam km 30; ich war jetzt 3 h unterwegs –
ging eigentlich noch…
Aber jetzt begann das Leiden erst richtig. Die
Temperaturen hatten inzwischen 23 Grad erreicht, die Sonne schien von rechts,
dann von hinten, je nach Laufrichtung – kein Schatten, kein Wind. Meine Beine
wurden schwer. Die km-Angaben erfolgten schon seit langem nur noch in
5-km-Abschnitten. Egal, anders wäre ich vielleicht verzweifelt. Hin und wieder
konnte ich mich mit anderen Leidensgenossen ein wenig in Englisch unterhalten.
Aber das kostete wertvolle Luft, und ich wurde noch langsamer.
An den V-Stellen begann ich schon vor
Erreichen der Wasserflasche zu gehen, und hatte es danach auch nicht eilig
wieder in eine Art Laufstil zu verfallen. Irgendwie tauchte dann aber doch das
35-km-Schild auf. Immer mehr Läufer fielen in den Gehschritt, versuchten
trotzdem Bäume umzuschubsen oder setzten sich einfach auf einen Bordstein.
Schließlich war ich mit meiner Kraft so sehr am Ende, dass ich abwechselnd lief
und dann wieder ging. Dabei musste ich mich immer wieder überwinden, mich neu
motovieren so etwas Ähnliches wie einen Laufstil an den Tag zu legen. Ich
dachte mir: egal, Hauptsache, es geht überhaupt noch vorwärts!
Die Zuschauer, die die wenigen Läuferinnen und
Läufer ermunterten, wurden dagegen nicht müde. Immer wieder hörte ich „Bravo,
bravo“ – einfach nett und freundlich, diese Serben!
Inzwischen war ich ca. 4 h unterwegs, und ich
bewegte mich langsam in Richtung Shoppingcenter, ein riesiger Schuppen, den wir
am Vortag heimgesucht hatten. Von hier war es jetzt nicht mehr weit. Trotzdem
war das, was uns noch erwartete, kein Pappenstil! Langsam steuerten wir
Richtung Sava-Brücke. Dort angekommen, ging es leicht bergan, dann bergab.
Jetzt waren es nur noch 2 km, und es kam mir in den Sinn, vielleicht doch noch
unter 4:30 h zu bleiben. Mein Gott, welch eine Vorstellung!!! Vor 6 Wochen in
Kandel war ich eine ganze Stunde schneller. Aber da hatte ich auch ganz andere
Voraussetzungen. Heute gehörte ich zu dem Häufchen Elend, das sich regelrecht
ins Ziel schleppen muss. Hinter der Brücke erledigten wir dann eine Schleife.
Ich wusste, dass es jetzt vornehmlich bergauf gehen würde. Alle sehenswerten
Stellen in Belgrad liegen oben, so auch unser heutiges Ziel! Also nochmals auf
die Zähne beißen, und… gehen! Gottseidank war der Zieleinlauf selbst dann
flach. So konnte ich wenigstens die Ehre retten und richtig „einlaufen“, wie
sich dies gehört.
Die Uhr blieb für mich ganz knapp unter 4:30 h
stehen. Margit hielt das Ganze fototechnisch fest.
Eins steht fest: dies war einer der schwereren
Marathonläufe für mich! Daher kann ich jedem „Beginner“ nur raten, ordentlich
zu trainieren. Ohne meine große Erfahrung wäre ich heute nicht angekommen! Ich
konnte nicht einmal richtig jubeln. Wo sollte ich die Kraft hernehmen??
Der Muskelkater, der
erst am nächsten Tag so richtig einsetzte, ist unbeschreiblich.
Dennoch habe ich an
einem schönen Ereignis teilgenommen. Die Reise hierher hat sich voll gelohnt!!
:-)
Am nächsten Tag ging
es dann am frühen Morgen auf unseren etwas abenteuerlich anmutenden Rückflug.
Doch es klappte alles vorzüglich, und wir erreichten „gesund und munter“ die
saarländische Heimat.
Zusammenfassung:
Strecke: flach, auf ca.
Wetter: ca. 15-23 Grad,
trocken, sonnig
Verpflegung: Wasser, Iso, Obst,
Organisation: gut, viele
Helfer
Duschen: im Hotel Moskau
für Läufer reserviert
Zuschauer: im Start- und
Zielbereich einige, unterwegs stellenweise, applausfreudig
Medaille: ja
T-Shirt: T-Shirt
Startgeld: für Marathon 30
€
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